Eine Reise in Fantasieräume

Mainz. "Fantasien aus mehreren Jahrhunderten"- so hätte der Untertitel des Klavierabends im Erbacher Hof lauten können. Wohl durchdacht das Programm mit Werken des Engländers William Byrd und von J.S. Bachs - Stücke aus polyphonen, von improvisatorischen Elementen durchzogenen Klangwelten.
Demgegenüber freiere romantische Kompositionen von Mendelssohn und Liszt. André Terebesi, Hokanson-Schüler und Dozent am Peter-Cornelius-Konservatorium , begab sich mit seiner konzentrisch versunkenen und nie vordergründig wirkenden Spielweise auf eine Entdeckungsreise in diese musikalischen "Fantasieräume". Ein eher innerliches, zuweilen meditatives Ereignis, das oft durch irritierende Nebengeräusche aus dem Saal gestört wurde. Byrd, einer der ersten seiner Zeit, der Musik für Tasteninstrumente schrieb, Shakespeare Zeitgenosse, spielt in seiner Fantasie in C imitations- und verzierungsreich mit der Tonleiter.
Hier, vor allem aber bei Bach zeigte Terebesi ein klanglich rundgeschliffenes, legatoorientiertes Klavierspiel, das in seiner Durchhörbarkeit überzeugte. Etwas dramatischer die berühmte Chomaitsche Fantasie und Fuge d-Moll mit ihren teils rezitativisch anmutenden freien Teilen und ihrer plastischen Themengestaltung. Felix Mendelssohn Bartholdys Phantasie fis-Moll, op. 28, gefiel mit liedhaften Farbwechseln und dem virtuosen Presto-Teil.
In der zweiten Hälfte dann ausschließlich Kompositionen von Franz Liszt. Besonders Eindrucksvoll geriet die Variation über ein Motiv aus der Kantate "Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen" von J.S.Bach, ein klagender, chromatischer Basslauf. Über diesen Fantasiert Liszt in gewohnt "flügelumspannender ", orchestraler Weise und lässt das Stück dann mit dem Kantatenchoral "Was Gott tut, das ist wohlgetan" enden. Zwei Stücke aus den "Années de pèlerinage" folgten die gurgelnd und glitzernd vertonte Legende des heiligen Franziskus von Paula, "Auf den Woge schreitend". Dem herzlich applaudierenden Publikum dankte Terebesi mit einer Scarlatti Sonate.

 

MRZ 10.10.97